Keine Berechnung des Schmerzensgeldes nach Tagessätzen
BGH verwirft die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldanspruchs
Vielfach wurde in der Vergangenheit die Ansicht vertreten, dass das einem Geschädigten zustehende Schmerzensgeld nach Tagessätzen berechnet werden sollte, um eine „gerechte Lösung“ dieses Anspruchs zu erreichen. Diese Ansicht beruht auf eine Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt vom 18.10.2018, Az. 22 U 97/16.
Die Berechnungsmethode des OLG Frankfurt erschien nach der Urteilsbegründung nicht nur mehr als kompliziert zu sein, sondern löste auch nicht unerhebliche Diskussionen aus.
Das Thema scheint sich nunmehr erledigt zu haben, denn mit Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 15.02.2022, Az. VI ZR 937/20 wurde die „taggenaue Berechnung“ des Schmerzensgeldes verworfen. Zur Begründung führte der BGH in seiner Entscheidung aus, das Schmerzensgeld dürfe nicht nach einem festen Schema berechnet werden. Erforderlich sei vielmehr eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles. Dabei sei in erster Linie das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen.
Ob damit allerdings eine gerechtere Lösung des Schmerzensgeldanspruchs erreicht wird, dürfte erfahrungsgemäß mehr als schwierig sein. Versicherungen orientieren sich gerne an Schmerzensgeldtabellen, die Jahr für Jahr umfangreicher werden, weil sie mit Uraltentscheidungen gefüllt werden. Sogenannte Indexangleichungen werden zwar berücksichtigt, nicht aber die Tendenz der Gerichte, gerade bei jungen Verletzten bzw. schwerwiegenden Verletzungen zwischenzeitlich weitaus höhere Beträge zuzusprechen, als die Tabellen hergeben. Die auf dem Markt befindlichen Tabellen sind auch nicht als „Evangelium“ zu betrachten, sondern sollen lediglich eine Orientierung darstellen.
Der „Opferanwalt“, der mit der Materie vertraut ist, wird in der Regel ohnehin diesen Anspruch außergerichtlich in Sinne seines Mandanten verhandeln und durchsetzen können. Denn vom Gericht erhält man nicht unbedingt Recht, sondern lediglich ein Urteil. Kein Richter ist insoweit weisungsgebunden und in seiner Entscheidung frei. Zudem kann ein Schmerzensgeldprozess, wenn er durch die Instanzen geht, jahrelang dauern. Damit ist dem Betroffenen letztlich nicht gedient.